Sonntag, September 17, 2006

Von Ausländern und von der Dankbarkeit

Heute, am 17. September, war für die Sonntagsmesse eine Stelle aus dem Lukas-Evangelium vorgeschrieben: Lk 17, 11- 19. Jesus heilt 10 Aussätzige. Nur einer kam zurück um zu danken. Dieser war einer aus Samaria.
Das gibt mir Gelegenheit auf eines, der bisher ungedeuteten Bilder aus dem Jesus-Zyklus in der karolingischen Kirche von Müstair zu verweisen. Es ist die nur zur Hälfte erhaltene Szene Nr.43 an der Nordwand: Jesus steht nach rechts gewandt und blickt sprechend zur Jüngergruppe zurück. Die nächste Szene, Nr 44, zeigt Jesus mit dem Hauptmann von Kapharnaum, resp.dem königlichen Beamten, der um eine Fern-Heilung bittet nach Lk 7,1-10 oder Mt 8,5-13 oder Jo 4, 43-54. Weil je zwei Szenen innerlich zusammengehören, schliesse ich darum für das Bild Nr 43 auf die Heilung der 10 Aussätzigen. Die Bilder sind nämlich wie Psalmverse zusammengestellt, wo oft das hebräische Prinzip des Gedankenreims (Parallelismus membrorum) verwendet wird, das heisst, in einem Zweizeiler wird Ähnliches wiederholt, oder manchmal auch Gegensätzliches daneben gestellt. Beide Bilder, respektive die zugehörigen Texte, handeln davon, dass Irrgläubige oder Heiden kraft ihres Glaubens eher gerettet werden als die eigentlich Berufenen.
Zu Fresken als Hyperlinks siehe auch den Eintrag "Bilder statt Bücher".

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Irgendwie erinnert das alles ans Web: Die Fresken sind Hyperlinks, die in thematischer Zusammenstellung Sprünge zu den entsprechenden Bibelstellen liefern.

Marese hat gesagt…

Hallo anonymer Leser! Ich bin hocherfreut, dass endlich einer die Botschaft der Bilder richtig verstanden hat: Dieses frühmittelalterliche Bildprogramm ist nicht für des Lesens Unkundige (pauperi) geschaffen, sondern für theologisch gebildete Benediktiner. Es regt zum Nachlesen der Bibelstellen (Perikopen) an und zum Nachdenken. So ist es weit mehr als ein Wandschmuck und auch mehr als eine fortlaufende Erzählung.