Donnerstag, September 07, 2006

Neue Interpretation der Davids- Bilder an der Nordwand


Bild Nr 14 im Dachstuhl über dem gotischen Gewölbe: David und Absalom.(Foto von Bea Ess, Luzern, 2002)


Zemp hat seinerzeit im noch zu besprechenden Bild Nr.19 an der Nordwand die Szene von Absaloms Ende im Baum erkannt; darum hat er danach die anderen 7 Bilder im Sinn der Absalom-Erzählung interpretiert. Diese Benennungen sind bis jetzt unbestritten geblieben. Nachdem, was ich heute weiss, wage ich jedoch einige Änderungen.

Im ersten Feld an der Nordwand (Bild Nr 13) glaubte Zemp die Episode zu erkennen, die der Begegnung David-Absalom vorausgeht. Das schien zwar plausibel, doch konnte ich nur mit Vorbehalt zustimmen. Denn von jeher haben mich die Beziehungen der Bildfelder untereinander interessiert, vor allem die Zusammenhänge zwischen Darstellungen aus der Davidsgeschichte und den neutestamentlichen Szenen die sich in den Bildfeldern unterhalb von diesen befinden. Da stellte ich mir die Frage: was hat die lange Rede der Frau von Tekoa (2 Sam 14, 1- 21) mit der Oelbergszene aus der Passion Jesu zu tun, die sich 3 Register weiter unten vertikal unter dem Bild Nr.13 findet? - Aber damit greife ich vor.
Bleiben wir im obersten Register, so ist zuerst einmal genaues Hinsehen gefragt; alsdann ist der Text zu suchen, auf den das Bild offenbar verweisen will. Das habe ich getan, und dann in zwei frühmittelalterlichen spanischen Handschriften als Parallele mehrere ikonographisch übereinstimmende Zeichnungen gefunden, die zur Thronfolgegeschichte der Davidsdynastie gehören. Darum muss ich die erste Szene oben an der Nordwand, die bislang "David und das Weib von Tekoa" hiess, umbenennen in:
13. Bathseba bittet um den Davidsthron für den jungen Salomon (1 Könige 1, 11-31).
Im Zentrum des Bildes thront König David; rechts aussen ist etwas tiefer der Kopf einer Frau mit turbanartig geschlungenem Kopftuch zu sehen. Hinter ihr stehen, noch unter der Tür, zwei Männer, die den Vorgang beobachten; einer davon ist der Prophet Nathan. Die Frau ist die Königin Bathseba, die sich tief vor dem Gemahl verbeugt. Auf Nathans Rat hin hat sie das Thronfolgerecht für ihren Sohn Salomon (2 Sam 12, 24 ) erbeten und hat es auch erlangt. Zemp hat seinerzeit die Szene als Fürbitte einer klugen Frau aus Tekoa gedeutet, für den vom Hof verbannten Absalom. Dazu ist keine Paralleldarstellung bekannt, für die Bitte der Bathseba hingegen schon. (Es gibt auch eine sehr merkwürdige allegorische Deutung der gesamten Bathsebageschichte. Diese sieht in der Frau des Hetiters Uria die göttliche Gnade, die Christus dem Alten Bund weggenommen hat und die jetzt über Christus der Kirche zukommen wird!) Soweit das Davids-Vorspiel. Nun zur zweiten Ebene, die sich auf Karl den Grossen beziehen könnte: Im Bathseba-Bild ist vielleicht auch ein Hinweis auf die Geschehnisse in den Jahren 780/81 versteckt, als Karls Gemahlin Hildegard (seine dritte Frau, nach Himiltrud und der Langobardischen Prinzessin!) den Namenswechsel ihres Sohnes Karlmann durchsetzte, der anlässlich einer erneuten Taufe durch den Papst den Namen Pippin erhielt und zum König von Italien gesalbt wurde. Dadurch wurde Karls illegitimer ältester Sohn,der schon 769 nach dem Grossvater Pippin getauft worden war, faktisch entrechtet und aus der Erbfolge ausgeschlossen. Hier kann der Grund für eine erste Verschwörung von 786 und für den späteren Putschversuch in Regensburg vermutet werden.


14. Absaloms Wiederaufnahme am Hof (2Sam 14,33). Siehe die Abbildung oben! Wieder ist im Zentrum König David zu sehen, im prächtigen Thronsaal und von Leibwächtern begleitet. Er umfasst das Handgelenk eines schönen jungen Mannes mit üppigem Haar, um ihn freundlich zu sich heran zu ziehen. Es ist Absalom, der rebellische Sohn. Er wird dem König von einem höfisch gekleideten Mann, von Davids Feldherr Joab, präsentiert. Eine seltsame Szenenwahl! Denn die kurze zugehörige Textstelle enthält kein Wortzitat, sondern schildert nur das Wiedersehen zwischen Vater und Sohn, nach dessen Rückkehr aus der Verbannung. - Auch hier kommt vielleicht die zweite Ebene, die zeitgenössische, ins Spiel: Das Bild mag daran erinnern, dass Karls des Grossen ältester Sohn (auch er übrigens wie Absalom "schön von Angesicht") zwar aus Gründen der Staatsraison von der Erbfolge ausgeschlossen wurde, nicht aber aus der Liebe des Vaters, und dass "Pippin, der Bucklige", weiterhin in der königlichen Familie am karolingischen Hof lebte, wo er von Fastrada, der nächsten Frau nach der Hildegard, viel Spott und Grausamkeit erdulden musste.

15. Absalom, der Hochmütige und Stolze, der nach der Königswürde strebt, verführt die Männer Israels (2 Sam 15, 1-6). Links von der Mitte steht Absalom neben dem Tor, wo der König Recht zu sprechen pflegt, und gewinnt einige vornehm gekleidete Israeliten mit falschen Aussagen und Versprechungen für sich. Ein vom Torbalken herabhängender Tuchzipfel weist auf Absaloms sprechend erhobene Hand, also auf seine Worte hin. Rechts im Bild ist Jerusalem, die Davidsstadt, vorn an der Bühnenrampe als "Hauptdarstellerin" im Drama zu sehen! Das Bildfeld ist wegen des karolingischen Fensters weniger breit als die andern.

16.Vier Jahre später lässt sich Absalom in Hebron in Judaea mit Hörnerklang zum König ausrufen (2 Sam 15, 10-12). Er thront, mit dem königlichen Stirnreif geschmückt, im Zentrum des Bildes; rechts aussen steht eine Gruppe von Speerträgern, das zum Kampf gegen David bereite Heer des Absalom. David muss aus Jerusalem fliehen. Auch er ist bereit zum Kampf, aber er wird von seinen Heerführern verlangen, dass sie mit dem Sohn schonend umgehen.

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