Freitag, Juni 15, 2007

AL-FRESKO ist umgezogen!

Dieses Blog ist umgezogen. Sie finden das aktuelle Al-Fresko ab sofort auf

www.al-fresko.ch


Dienstag, Juni 12, 2007

Wiederkunft Christi, Einrollen des Himmels und Auferweckung der Toten

Müstair, innere Westwand, Weltgerichtsbild:
Die erste Phase des Jüngsten Gerichts wird durch Vorgänge am Himmel eingeleitet: Sonne Mond und Sterne verschwinden, das heisst, die Möglichkeit der Orientierung in Raum und Zeit geht verloren. Dann erscheint von Engeln eskortiert, Christus, der Menschensohn, dem sein siegreiches Zeichen voraus geht: das strahlende, funkelnde Kreuz des Auferstandenen. Und Engel mit lauter Posaune wecken die Toten auf um sie von allen vier Weltrichtungen zusammenzuführen. Das war im obersten Streifen dargestellt.

Die Wiederkunft Christi (Parusie). Mittelteil des Weltgerichtsbildes oben links.


Engel rollen den Himmel ein (Ende der messbaren Zeit). Mittelteil oben rechts.





Dazwischen muss sich das siegreiche Flammenkreuz, das"Zeichen des Menschensohns", befunden haben, das beim Einbrechen des grossen gotischen Fensters zerstört wurde; es war entweder gemalt oder befand sich in einem Rundfenster mit farbigem Glas über dem zentralen Bild des thronenden Weltenrichters im Engelskranz. So zeigt es auch eine Zeichnung des 11.Jh. in der spanischen Bibel von Ripoll, die viele Evangelienszenen als fortlaufende Frieserzählung gibt, das Weltgericht aber als ganzseitiges Bild. Sie könnte auf ein älteres (italienisches?) Vorbild zurückgehen.

Unmögliches Layout! Pit, kannst du das flicken und die Bilder auf gleicher Höhe nebeneinander Platzieren? Danke! -Der Artikel ist übrigens noch nicht fertig...

Freitag, Juni 08, 2007

Das grosse Weltgerichtsbild an der Westwand


Müstair, innere Westwand: Weltgericht (heutiger Zustand), Foto F.Hidber im GSK-Führer1986, Grundlage: Matthäus 24, 29 - 31 und 25, 31 - 46.

Strichzeichnung der Westwand-Einteilung (Büro Sennhauser)

Man sieht: die Zerstörungen am monumentalen Bild durch den Einbau der Nonnenempore und durch Fenster- und Türausbrüche in gotischer Zeit sind sehr gross. Trotzdem kann man sich die ursprüngliche Wirkung des Freskos mit Hilfe der Umzeichnung gut vorstellen, und wie ich meine lassen sich wichtige Partien sogar einigermassen rekonstruieren. Das grosse rechteckige Bildfeld befindet sich unterhalb der schon besprochenen Bilder Nr.9-12 des Davidszyklus und ist als Ganzes in das selbe breite Rahmenornament gefasst, das unten auf den den ganzen Raum umziehenden Mäander und die Sockelzone aus Marmorimitation trifft. Erstaunlicherweise hatte der Saal keinen eigentlichen Westeingang. Die kleine Tür unten in der Mitte der Wand ist späteren Datums; über ihr befindet sich allerdings ein heute vermauertes karolingisches Rundbogenfenster über das die Archäologen vorläufig noch nachdenken. Ich mache mir dazu meine eigenen, vielleicht inkompetenten Gedanken. Was aber die karolingischen Fenster im oberen Teil angeht, so bin ich überzeugt, dass es einst nicht drei, sondern nur zwei waren, denn dort, wo in der Zeichnung das mittlere angedeutet ist, musste sich der wichtigste Teil des Davidszyklus befunden haben: die vom Propheten Nathan dem König überbrachte göttliche Verheissung vom ewigen Thron für einen Spross aus seinem Geschlecht!

Man ist es gewohnt, das Jüngste Gericht beim Eintreten in eine Kirche aussen an der Fassade, meist in plastischer Ausgestaltung, zu sehen. Nun gibt es jedoch einige abendländische Beispiele von Gerichtsdarstellung an der Innenseite der Westwand. Das könnte bedeuten, dass die entsprechenden Kirchen ursprünglich nicht durch einen Westeingang betreten wurden, sondern auf einem Umweg über einen Vorraum von der Seite her. Das war in Müstair bestimmt der Fall, denn die Mönche (und ihre zeitweiligen Gäste)betraten den Saal im Osten von den seitlichen Anbauten her durch zwei sehr hohe unverschlossene Portale unmittelbar vor den Stufen die zum Altarpodium führten. Um zu ihren Plätzen im ausgesparten Geviert, dem sogenannten Mönchschor, zu gelangen, mussten sie sich gegen Westen wenden. Somit fiel ihr Blick als erstes auf das Weltgerichtsbild an der inneren Westwand, wo gemäss der römischen Leseordnung die Ereignisse geschildert sind mit deren Evokation das Kirchenjahr endete und begann: das Jüngste Gericht, der Tag des Herrn ( Perikopen vom letzten Sonntag nach Pfingsten und vom ersten Adventsonntag = Matthäus 24, 15-35 und Lukas 21, 25-33)! Das Fresko von Müstair folgt allerdings nicht nur diesen Lesungen, sondern bezieht sich auch auf Matth.25,31 -46, denn es geht nicht auf eine Buchillustration zurück, sondern sehr wahrscheinlich auf ein monumentales (römisches?)Wandbild, das auch in Giottos Weltgericht in Padua noch nachklingt.
Das Weltgericht in Müstair ist in drei horizontale Streifen gegliedert, die aber nicht wie später eine Bühne auf drei Ebenen meinen, also Himmel, Erde und Unterwelt, sondern eine zeitliche Abfolge schildern. Im oberen Register kündet sich das Weltende an mit grossen Posaunenengeln, die die Toten zur Auferstehung rufen - sie erheben sich aus ihren Sarkophagen - mit der Ankunft Christi, des Menschensohnes, dem sein Zeichen, ein flammendes Kreuz (zerstört) voraus geht, und mit dem Verschwinden des Himmelszeltes, das samt Sonne, Mond und Sternen von vier Engeln zusammengerollt wird - messbare Zeit wird fortan nicht mehr sein! Im mittleren Register sitzt Christus auf dem Richterthron im Regenbogen- und Engelskreis, wo die beiden vordersten die offenen Schriftrollen mit der Urteilsverkündigung präsentieren. Zu beiden Seiten wenden sich die unter Arkaden thronenden 12 Apostel, die Vertreter der Kirche, einander im Gespräch zu. Sie sind nicht nur Beisitzer, sondern Geschworene und Mitrichter. Das unterste Register ist durch zwei Berge unterteilt, von deren Hängen die auferstandenen und die noch lebenden Menschen der (verlorenen)Mitte zustreben, wo von einer Engelwache flankiert vermutlich das Leidenskreuz mit dem Lamm Gottes im Zentrum zu sehen war. Das siegreiche Kreuz und das Lamm Gottes, beide sind Bildgestalten Jesu Christi, des Herrn der Welt und der Verkörperung der erlösenden Barmherzigkeit. Im Innern der Berge waren wohl einst links das irdische Paradies mit den Patriarchen und mit Mutter Maria zu sehen und rechts der Höllenabgrund. Der obern und mittleren Darstellung liegt Matthäus 24, 29-46 zugrunde, für die untere dürfte eine Kirchenvaterpredigt die Anregung geliefert haben.
Soweit der Überblick. Die Einzelheiten werde ich in den nächsten Tagen besprechen.

Mittwoch, Juni 06, 2007

Petri Rettung aus den Fluten


Oben: Ausschnitt aus dem barocken Beretta-Faksimile nach Giottos "Navicella"
Unten: die gleiche Szene (wohl nach dem spätantiken Original am Atrium von Alt St.Peter in Rom?)als Bildfeld im karolingischen Christuszyklus von St.Johann in Müstair!


Müstair Nordwand, Bildfeld Nr.50: Petri Rettung aus den Fluten (oder: Jesus vertraut dem Petrus das Schifflein seiner Kirche an und verheisst für immer seine rettende Gegenwart). Matthäus 14, 22 -33.

Nachdem ich meinen Blog Ferien- und Krankheitshalber zwei Monate lang arg vernachlässigt habe, muss ich einen wichtigen Nachtrag liefern bevor ich zur versprochenen Beschreibung des Weltgerichts an der inneren Westwand übergehe. Das hier gezeigte Bildfeld des 3. Registers an der Nordwand ist zwar weitgehend zerstört und schwer lesbar, aber es erlaubt einen unschätzbaren Rückschluss auf die Herkunft der spätantiken Vorbilder des Müstairer Zyklus. Was ist zu sehen? Ein blasender Windgeist oben links, ein mit mehreren Personen besetztes Schiff mit gerafftem Segel in hohem Wellengang, und ganz rechts aussen der fast frontal gegebene Kopf Christi mit grossem Kreuznimbus. Mein altes Schwarzweissbild ist vor der von Prof.Birchler veranlassten Entrestaurierung von 1961 aufgenommen! Der Restaurator hat die Oberkante des Bootes durchgezogen weil er an die Szene der Sturmstillung dachte und annahm, dass Jesus sich mit den andern im Schiff befindet. (Meist ist er in entsprechenden Bildern nämlich zweimal dargestellt: einmal schlafend und einmal hochaufgerichtet Wind und Wellen gebietend.)Ich habe schon in meiner 1958 abgeschlossenen Dissertation an Giottos berühmtes "Navicella"Mosaik am Porticus des Atriums von Alt St. Peter gedacht, das ein beschädigtes spätantikes Vorbild aus dem 4.Jh. an der gleichen Stelle ersetzt.
Das Thema wurde schon in Dura Europos in Mesopotamien im 3.Jh als Fresko dargestellt. Und in Rom ist die Szene in einem Bild aus dem späten 8.Jh. in S.Saba wenigstens fragmentarisch erhalten. Und in Bobbio werden zwei palästinensische Ampullen aus dem 6.Jh aufbewahrt, die wohl ein berühmtes Monument mit dieser Szene aus dem Heiligen Land wiedergeben.

Bei diesem Stich nach Giottos berühmter Navicella (aus dem 17.Jh.) muss man sich die oberste Partie mit den Halbfiguren der 4 Evangelisten wegdenken um das Bild in Müstair zu verstehen; und ebenso den Leuchtturm links und die unterste Partie mit dem Fischer und der Stifterfigur im Vordergrund. Der Maler im 8.Jh. hat sich auf die blasenden Windgötter oben und auf das Boot mit Segel und auf die Petrus-Christus-Gruppe beschränkt. Von der übergrossen Jesusfigur in Frontalansicht ist heute nur noch der Kopf zu sehen. Die Hauptperson, der in den Fluten halb versinkende Petrus, ist in Müstair leider nicht erhalten. Er befand sich wohl im Vordergrund etwas rechts von der Mitte vor dem Schiff.
Es gibt relativ viele mittelalterliche Darstellungen zu der genannten Matthäusperikope. Sie zeigen fast immer ein kleines, von stürmischen Wellen bedrängtes Boot mit wenigen Figuren, wie etwa das schöne Bild im Reichenauer Egbertcodex, aber nur in Müstair findet sich auch das geraffte Segel und der majestätische , hochaufgerichtete, von vorn gesehene Heiland, als der Herr (Kyrios) der Welt.


Doch nun zurück zu Giottos Neufassung des berühmten spätantiken Bildes aus dem Portikus von Alt St.Peter in Rom:
Da es oben, wo ich es platzieren wollte, im Blog-Layout keinen Platz hat, füge ich hier die Christus-Petrusgruppe aus dem Beretta-Faksimile des Navicella-Mosaiks von 1628 an. Es hilft uns das verstümmelte Bildfeld Nr 50 in der karolingischen Kirche von Müstair zu verstehen und erlaubt wichtige Rückschlüsse auf die Herkunft der verwendeten Vorbilder. - Ei sieh da! Nun ist es wunderbarer Weise doch nach oben gerutscht!

Freitag, April 06, 2007

Das Kreuz als Symbol der Auferstehung


Müstair Südapsis: ein von einem Lichtschein umflossenes Medaillonkreuz, in der schriftlich überlieferten Weiheinschrift als Victoriosissima Crux bezeichnet, wird von den vier apokalyptischen Wesen verehrt. Es stellt den verherrlichten Christus dar und die mit ihm verbundenen Himmelsbewohner.

Heute ist Karfreitag. Für die einen ein hohes Fest: die Feier der Erlösung. Für die andern ein Tag der Trauer und der Busse: die Erinnerung an einen grausamen und erniedrigenden Tod. Ich habe schon immer einen starken Widerstand empfunden gegenüber der katholischen Karftreitagsliturgie, wo das Kreuz mit dem gemarterten Leichnam enthüllt und verehrt wird. An diesem Tag werden vielerorts auch blutrünstige Passionsspiele veranstaltet oder entsprechende Filme gezeigt. Die frühen Christen hatten an diesem Tag aber auch schon Ostern im Blick. Tod und Hadesfahrt und Auferstehung gehörten zusammen als das grosse Mysteriendrama der Erlösung. Darum ist heute das für uns moderne Menschen so rätselhafte Bild der Südapsis von Müstair nochmals zu sehen, das mit der "himmlischen Liturgie" (dieser Ausdruck ist im ostkirchlichen Bereich für eine andere Darstellung reserviert) zeigen will, wie im Himmelreich im Gedenken an Tod, Auferstehung und Verherrlichung Jesu ein immerwährendes Osterfest gefeiert wird.
Schon seit den ersten christlichen Jahrhunderten und das ganze Mittelalter hindurch wusste aber jeder einfache Christ: ein silbernes oder goldenes, mit Perlen und Edelsteinen besetztes Kreuz ist die Symbolgestalt des auferstandenen und verherrlichten, des verwandelten Jesus, den man anders gar nicht darstellen kann: Goldschmiedearbeit aus Köln, 11.Jh.

Offensichtlich gab es bald die Vorstellung, dass Jesu Leib nach dem Tod am Kreuz im Grab ruhte, während seine menschlich-göttliche Geistseele in die Unterwelt hinabstieg um die gerechten Gottgläubigen aus der Gefangenschaft des Todes zu befreien. Dann erst, am dritten Tag, folgte die leibliche Auferstehung und sogleich auch die Verwandlung und Verherrlichung oder "Himmelfahrt". So hat es der Zeichner im gestern gezeigten, karolingischen Utrechtpsalter dargestellt. Eine sehr frühe Schrift, das bruchstückhaft erhaltene apokryphe Petrus-Evangelium, versucht mit folgenden Sätzen den Hörern beizubringen, dass der Auferstandene entweder in menschlicher Gestalt erscheinen kann oder in der Symbolgestalt eines kostbaren Kreuzes: Am Ostermorgen erscholl eine laute Stimme vom Himmel. Dann sahen die Grabwächter, wie zwei grosse lichtglänzende Männer (Engel) vom Himmel herab kamen und ins Grab hineingingen, nachdem der Verschlussstein von selber zur Seite gerollt war. Als sie wieder herauskamen stützten sie einen riesengrossen Dritten (Jesus Christus), den sie zwischen sich führten und ihnen folgte ein Kreuz! Und eine Stimme rief wieder vom Himmel: Hast du den Entschlafenen gepredigt? Und vom Kreuz her (!) kam die Antwort: Ja!