Freitag, April 06, 2007

Das Kreuz als Symbol der Auferstehung


Müstair Südapsis: ein von einem Lichtschein umflossenes Medaillonkreuz, in der schriftlich überlieferten Weiheinschrift als Victoriosissima Crux bezeichnet, wird von den vier apokalyptischen Wesen verehrt. Es stellt den verherrlichten Christus dar und die mit ihm verbundenen Himmelsbewohner.

Heute ist Karfreitag. Für die einen ein hohes Fest: die Feier der Erlösung. Für die andern ein Tag der Trauer und der Busse: die Erinnerung an einen grausamen und erniedrigenden Tod. Ich habe schon immer einen starken Widerstand empfunden gegenüber der katholischen Karftreitagsliturgie, wo das Kreuz mit dem gemarterten Leichnam enthüllt und verehrt wird. An diesem Tag werden vielerorts auch blutrünstige Passionsspiele veranstaltet oder entsprechende Filme gezeigt. Die frühen Christen hatten an diesem Tag aber auch schon Ostern im Blick. Tod und Hadesfahrt und Auferstehung gehörten zusammen als das grosse Mysteriendrama der Erlösung. Darum ist heute das für uns moderne Menschen so rätselhafte Bild der Südapsis von Müstair nochmals zu sehen, das mit der "himmlischen Liturgie" (dieser Ausdruck ist im ostkirchlichen Bereich für eine andere Darstellung reserviert) zeigen will, wie im Himmelreich im Gedenken an Tod, Auferstehung und Verherrlichung Jesu ein immerwährendes Osterfest gefeiert wird.
Schon seit den ersten christlichen Jahrhunderten und das ganze Mittelalter hindurch wusste aber jeder einfache Christ: ein silbernes oder goldenes, mit Perlen und Edelsteinen besetztes Kreuz ist die Symbolgestalt des auferstandenen und verherrlichten, des verwandelten Jesus, den man anders gar nicht darstellen kann: Goldschmiedearbeit aus Köln, 11.Jh.

Offensichtlich gab es bald die Vorstellung, dass Jesu Leib nach dem Tod am Kreuz im Grab ruhte, während seine menschlich-göttliche Geistseele in die Unterwelt hinabstieg um die gerechten Gottgläubigen aus der Gefangenschaft des Todes zu befreien. Dann erst, am dritten Tag, folgte die leibliche Auferstehung und sogleich auch die Verwandlung und Verherrlichung oder "Himmelfahrt". So hat es der Zeichner im gestern gezeigten, karolingischen Utrechtpsalter dargestellt. Eine sehr frühe Schrift, das bruchstückhaft erhaltene apokryphe Petrus-Evangelium, versucht mit folgenden Sätzen den Hörern beizubringen, dass der Auferstandene entweder in menschlicher Gestalt erscheinen kann oder in der Symbolgestalt eines kostbaren Kreuzes: Am Ostermorgen erscholl eine laute Stimme vom Himmel. Dann sahen die Grabwächter, wie zwei grosse lichtglänzende Männer (Engel) vom Himmel herab kamen und ins Grab hineingingen, nachdem der Verschlussstein von selber zur Seite gerollt war. Als sie wieder herauskamen stützten sie einen riesengrossen Dritten (Jesus Christus), den sie zwischen sich führten und ihnen folgte ein Kreuz! Und eine Stimme rief wieder vom Himmel: Hast du den Entschlafenen gepredigt? Und vom Kreuz her (!) kam die Antwort: Ja!

Sonntag, April 01, 2007

Auferstehung des Leibes und ein ewiges Leben auch für mich?


Zeichnung im karolingischen Utrechtpsalter zum Psalm 15 (Reims, ca.825)
Psalmtext:
Bewahre mich, Gott, ich flüchte zu Dir.
Ich spreche zum Herrn: mein Herr bist Du.
Nirgends ist Glück für mich, als nur mit Dir!
.....
Der Herr ist mein Erbe und Kelch: Du hältst meine Lose in Deiner Hand
...
Du lässt meine Seele nicht in der Unterwelt
und duldest nicht, dass Dein Frommer Verwesung schaue.
Du zeigst mir den Weg zum Leben,
und Fülle der Freuden bei Dir,
und Wonne zu Deiner Rechten für alle Zeit.

Die frühe Kirche hat diesen Psalm, der eigentlich die Hoffnung auf ein ewiges Leben für alle ausdrückt, zunächst auf die Auferweckung Christi gedeutet, auf seinen "Abstieg zur Hölle", und auf seine Erhöhung "in den Himmel", was erst das Erlösungswerk zur Vollendung brachte. Darum ist er - nebst der Wortillustration vom "Kelch der Lose" und vom "sorglos ruhenden Leib" - mit Bildern zum Nikodemus-Evangelium geschmückt: links tritt Christus den Tod mit Füssen und zieht Adam und Eva aus der Unterwelt herauf, dann sieht man die Frauen am Grab (in dem der Leichnam Christi zu sehen ist!) und den Engel auf dem Stein; rechts schlafen die drei jüdischen Gesetzeslehrer, die Zeugen der Himmelfahrt wurden und in Jerusalem davon Bericht erstatteten; darüber steht die Gruppe der Jünger, die nach Galiläa geeilt ist, und zuoberst wird der auferweckte und erhöhte Christus im Himmel von Engeln verehrt.

Ich habe beim Bild Nr.67 an der Nordwand in Müstair (Jesu Hadesfahrt) auf das apokryphe Nikodemusevangelium hingewiesen, das zuvor vom Prozess Jesu, von der Kreuzigung, vom Begräbnis und vom leeren Grab berichtet hat, und von Zeugen der Himmelfahrt, die nicht zum Jüngerkreis gehörten. Ich habe auch das nur fragmentarisch erhaltene Bild von den Frauen und dem Engel beim Grab (Nr 68) besprochen - es ist das letzte der vierten Reihe an der Nordwand - und müsste jetzt zur Südwand übergehen, wo von der untersten Bilderreihe so gut wie nichts erhalten ist. Bevor ich mich auf Spekulationen einlasse, welche von den in den Evangelien berichteten Erscheinungen des Auferstandenen wohl noch dargestellt waren, möchte ich aber nochmals auf das Nikodemus-Evangelium zurückkommen, das im hohen Mittelalter zu volkssprachlichen Dichtungen und zu bildlicher Ausgestaltung anregte, von dem aber aus dem Frühmittelalter nur ganz wenige Darstellungen bekannt sind. Es schildert all die Zeichen, die Jesus schon während seinem Erdenleben und während seinem Leiden als den verheissenen Messias erweisen. Und es scheint zu wissen, was in der Zeit nach der Kreuzigung im Totenreich geschah. Und schliesslich lässt es die Entrückung des Auferweckten von Aussenstehenden beobachten.
Darum frage ich mich: Sollten auch in Müstair die beiden Szenen von der Ueberwindung von Tod und Teufel und von der Engelsbotschaft beim Grab direkt zur grossen Himmelfahrtskomposition über den Apsidende hingeführt haben? Dann hätten die
verbleibenden 14 Bildfelder der beiden untersten Reihen (Nr.69 - 82), von denen fast nichts erhalten ist, die Apostelgeschichte illustriert. Es ist anzunehmen, dass in ihnen das Wirken und das Sterben von 12 Aposteln geschildert war (unterhalb der Hadesfahrt und somit auch senkrecht unter dem Bild vom Ende Absaloms im Geäst des Baumes, wohl Judas aam Strick!). Für zwei Erscheinungen Christi kämen dann nur die ersten zwei Bildfelder der Südwand in Frage. Als relevant für die Entstehung der Kirche wäre die Begegnung mit den elf verbleibenden Aposteln im verschlossenen Saal und die Szene mit dem ungläubigen Thomas. Aber das bleibt blosse Spekulation.
In meinen nächsten Blogbeiträgen werde ich zuerst noch ein paar interessante Nachträge liefern, etwa die Errettung des Petrus aus den Wasserfluten. Dann werde ich mich dem monumentalen Weltgericht an der Innenseite der Westwand zuwenden, das den Besuchern leider nicht zugänglich ist. Es ist die älteste erhaltene Darstellung dieses grossen Themas. Und ich meine, dass es sich trotz vieler Verluste in grossen Zügen rekonstruieren lässt.