
Gefangennahme Jesu in einer Reichenauer Handschrift des 10.Jh. (Codex Egberti)
Der "Leben Jesu Zyklus" von Müstair wird nun in der vierten Reihe der Nordwand mit sechs Bildern zur Passion fortgesetzt. Die Felder Nr.61 und Nr.62 sind sehr schlecht erhalten. Ich bilde sie daher heute zusammen in meinem Blog ab und bringe gleich zu Beginn eine gut vergleichbare Buchmalerei, die vielleicht auf die gleiche spätantike Vorlage zurückgeht wie das Fresko von Müstair.


Nr.62: Judaskuss und Gefangennahme Jesu (Lukas 22,47-53)
In beiden Szenen befindet sich Jesus im Zentrum des Bildes. von Nr.61 ist rechts ein Drittel des Feldes verloren. Von Nr. 62 fehlt das linke Drittel. Von Jesu Angst und Not im Garten Getsemani ist in allen vier Evangelien die Rede, aber da Jesus sich nur bei Lukas zweimal an die ganze Jüngerschar wendet mit der Mahnung: Betet dass ihr nicht in Versuchung kommt, muss hier die Lukasperikope zu Grunde liegen. Links im Bild Nr. 61 sind unter den Oelbäumen noch schwach viele Köpfe einer am Boden kauernden Gruppe zu sehen. Den Hintergrund bilden helle Bergkuppen vor nachtdunklem Himmel. Es ist anzunehmen, dass im zerstörten rechten Drittel des Bildfeldes einst Jesus ein zweites Mal als flehentlich Betender am Berghang knieend dargestellt war.
Bei Lukas 22, 47 heisst es dann: Während er noch redete, siehe da kam eine Schar, und der welcher Judas hiess, einer von den Zwölfen, ging ihnen voran und ging auf Jesus zu, um ihn zu küssen. Damit befinden wir uns schon im Bildfeld Nr. 62, das leider ebenfalls bis auf die grossflächige Untermalung abgerieben ist. Hier hilft nun die entsprechende, oben abgebildete Szene aus dem Codex Egberti weiter: man erkennt die dreifach verschränkte Gruppe von Jesus, Judas und dem vordersten Häscher im Bildzentrum. Der dichtgedrängte Haufen der Tempelwache und der Ältesten rechts aussen wird vom Stichbogen des Tores zum Oelgarten gerahmt. Die Malchus-Szene links zu der Jesus hinüberblickt, ist im Fresko verloren.
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