Freitag, Februar 09, 2007
Ein bedeutsames Bildpaar: Abendmahl und Fusswaschung
Müstair, Südwand Bild Nr.59: Das letzte Abendmahl (Matth.26,21-29; Markus, 14,18-25; Lukas 22,15-23)
Jesus hat sich durch die Erweckung des Lazarus als Herr über den Tod erwiesen, er ist als Davidssohn in Jerusalem eingezogen und er wurde von einer Frau zum König gesalbt. Nun sitzt er gross und königlich mit sprechend erobener Hand am oberen Ende des Sigmatisches im luftigen Obergemach um mit seinen Gefährten das Passahmahl zu feiern. Obwohl das Bild schlecht erhalten ist, kann man im Saal mit den Arkadenfenstern im Hintergrund zwölf merkwürdig tief sitzende, enggedrängte Gäste zählen (wahrscheinlich waren sie in der spätantiken Vorlage liegend dargestellt). Ganz rechts, auf dem zweiten Ehrenplatz, darf man den Petrus vermuten und ganz links aussen steht nicht etwa Judas, sondern ein Diener mit einem Krug oder einem Weinschlauch; er ist Zeuge des Geschehens, denn nicht das Mysterium der Einsetzung der Eucharistie ist hier dargestellt, sondern die Ankündigung des Verrats! Der Herr weiss, dass ihn einer der seinen, die mit ihm aus einer Schüssel essen, verraten wird. Und tatsächlich sieht man - undeutlich und verblasst - rechts von der Mitte einen über den Tisch ausgestreckten Arm. Ein Zipfel der oben in die Fenster geschlungenen Draperie hängt herunter und weist auf die (nicht mehr sichtbare) Schüssel, nach der einer der rechts aussen sitzenden Apostel greift. Es ist wohl Judas, der die vorbestimmte Sache des erlösenden Leidens schliesslich ins Rollen bringt. Es hätte aber jeder der Jünger sein können; warum sonst hätten sie fragen sollen: Herr, bin ich es? Tatsächlich weist ein weiterer Tuchzipfel auch auf den Jünger ganz rechts aussen, am zweiten Ehrenplatz! Wird nicht Petrus noch in der gleichen Nacht seinen Meister verleugnen?
Die entscheidende Aussage der Szene ist also die Machtfülle des Gottessohnes, das Wissen Jesu um seinen unausweichlichen Tod. Und die zugehörige nächste Szene, die Fusswaschung, zeigt wie er sich der Macht entäussert und zum Diener seiner Schüler wird. Warum ich das arg zerstörte Bild so gut lesen kann? Weil es viele von früher ostkirchlicher Ikonographie beeinflusste spätere Darstellungen gibt:
Elfenbeintäfelchen, Norditalien 11./12.Jh, Walters Art Gallery, Baltimore, USA
Nachzeichnung eines Emailmedaillons einer byzant.Abendmahlsschale,10./11.Jh,Privatsammlung Schweiz
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