Mein Rundgang durch die Klosterkirche von Müstair führt mich heute wieder zur Nordwand, wo ich die beiden gut erhaltenen Szenen von der Blindenheilung (Nr.45) und der Heilung des Taubstummen (Nr.46)im Oktober und im November schon besprochen habe. Wer dorthin zurückscrollt kann das, was ich in meinem letzten Beitrag zur formalen Gestaltung der Bilder und zur Verwendung von Figuren- und Kulissenschablonen dargelegt habe nochmals nachprüfen. Nr.45 ist weitgehend dem an römisch-antiker Malerei geschulten Hauptmeister zu verdanken, während Nr.46 von einem schwungvoll expressiv zeichnenden, die Hintergrundkulissen gezielt und irrational einsetzenden, (wohl oberitalienischen?) Maler zusammengestellt ist. Da von den beiden nächsten Szenen nur spärliche Fragmente erhalten sind. nenne ich von ihnen nur die Themen: Nr.47: Speisung der 5000(?), und Nr.48: Jesu Verklärung auf dem Berg Tabor. Und nun komme ich zum heutigen Titel: Nr 49: Die Heilung der Frau mit dem Blutfluss (Markus 5,21-43 und Lukas 8,40-48).
Eigentlich ist die Episode von der an weiblichen Blutungen leidenden Frau, die nur durch die heimliche Berührung von Jesu Gewand geheilt wird, in den Evangelien in eine grössere Erzählung von einer spektakulären Totenerweckung eingebettet, aber die Tochter des Synagogenvorstehers Jairus interessierte den Entwerfer des Bildprogramms offensichtlich weniger als das als unrein geltende scheue Weib, das sich das Gedränge auf der Strasse zunutzen machte. Leider ist geraden der linke untere Teil des Bildes mit der am Boden knieenden Frau zerstört. Jesus ist in eiligem Lauf schon über die
Mitte der Bühne hinausgelangt und blickt, sich umwendend, zurück, "da er gespürt hat, dass von ihm eine Kraft ausgegangen ist". Rechts aussen wartet ungeduldig der vornehm gekleidete Jairus und nahe bei Jesus steht der deutlich als Petrus gekennzeichnete Protagonist der nächstfolgenden Szene! Denn genau darum geht es im Bildpaar Nr.49 und Nr.50: zu zeigen was der vertrauende Glaube vermag wenn er nur gross genug ist. Denn in der nächsten Szene war einst zu sehen, wie Petrus auf dem See Genesareth aus dem Boot steigt und übers Wasser seinem Meister entgegengeht - bis ihm der Glaube abhanden kommt und er in den Fluten versinkt! Als er um Hilfe ruft, zieht Jesus ihn empor, aber nicht ohne seinen Mangel an Vertrauen zu rügen (Matth.14,22-33). Da das Feld Nr.50 sehr schlecht erhalten ist, verzichte ich auf eine Abbildung; das Thema scheint mir jedenfalls gesichert zu sein auch wenn der sinkende Petrus im Zentrum nicht mehr zu sehen ist. Trotz der blasenden Windgeister in der obern linken Ecke kann es sich nicht um die Sturmstillung nach Math.8, 23-27 handeln, denn Jesus befand sich nicht im Boot, sondern kam, ganz rechts aussen auf dem Wasser wandelnd, auf das Schifflein zu.
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen